Fabrikantenfamilie Emrich

Der jüdische Fabrikant Alfred Emrich und seine Frau Laura haben in Mühlacker bleibende Spuren hinterlassen.

Alfred Emrich steht für die wirtschaftliche Entwicklung in unserer Stadt, für die Beschäftigung und Ausbildung vieler Bürgerinnen und Bürger am  Anfang des 20. Jahrhunderts, sowie für soziales und kulturelles Engagement. Sein Name ist eng verknüpft mit der Errichtung des Uhlandbaus.
Die Verfolgung jüdischer Bürger machte in Mühlacker auch vor der Familie Emrich nicht Halt. Sie wurde in Auschwitz ermordet.

Die nachfolgenden Texte orientieren sich an Aufzeichnungen von Elisabeth Brändle-Zeile: „Opfer der NS-Herrschaft in Mühlacker 1933-45. Schicksale verfolgter und ermordeter Mitbürger“, erschienen 1997 als Bd 2: Beiträge zur Geschichte der Stadt Mühlacker, sowie mündlichen Berichten von Zeitzeugen.

Ausstellung

Der Name Alfred Emrich ist heute in Mühlacker wieder sehr präsent. Dies ist nicht zuletzt dem großartigen Aufsatz von Elisabeth Brändle-Zeile aus dem Jahre 1997, der in dem Band Historische Streiflichter 1596 bis 1945 erschienen ist, zu verdanken. Mit Emrich verbindet sich zu allererst der Bau des Uhlandbaus, dann sein überaus großzügiges Engagement im sozialen Bereich, von dem heute noch Zeitzeugen oder ihre Nachfahren berichten. Er war aber auch ein kluger Geschäftsmann und hatte seine Kontakte Anfang des vergangenen Jahrhunderts weit über Europa hinaus ausgedehnt. Dennoch endete sein Leben wie das seiner Frau und Tochter in den Gaskammern von Auschwitz.
Die Begegnung mit Zeitzeugen aus den Jahren vor dem 2. Weltkrieg und auch aus der Zeit des Wiederaufbaus der Firma ermöglichten die Zusammenstellung einer Ausstellung, die in der Zeit vom 11.3.-27.3.2013 im Rathaus der Stadt Mühlacker stattfand. Leihgaben von Schriftstücken, Kleinmöbeln, Geschenken an verdiente MitarbeiterInnen, sowie Werkstücke von vor und nach dem Krieg waren zu besichtigen.
200-250 BesucherInnen nahmen während der Rathausöffnungszeiten und den ergänzenden Führungen die Gelegenheit wahr, die Geschichte der Familie und der Bijouteriefabrik Emrich neu zu erleben.

Zum Download

Alfred Emrich Leben und Werk des Mühlacker Fabrikanten — Ausstellung mit Exponaten aus der Bijouteriefabrik aus dem Jahre 2013 PDF-Datei (9 MB). Die 2021 überarbeitete und erweiterte Broschüre finden Sie hier (16MB).

Familie Emrich
Familie Emrich
von links nach rechts: Alfred Emrich; Alice Bach, geb. Emrich; Isidor Emrich und Richard, 1928


Isidor Emrich, geb. 05.08.1848, verh. mit Berta, geb. Aberle, geb. 02.04.1855,
                      verst. 15.08.1930                                              verst. 16.11.1921

Kinder: Alfred, geb. 1876, verh. mit Laura, geb. Horkheimer, geb. 1885,
                        verst. 23.06.1943                                             verst. 11.09.1942

           Richard, geb.17.09.1878, 1934 emigriert nach Großbritannien
                         verst. 1947

           Alice, geb. 1886, verh. mit Karl Bach, geb. 1885,
                     verst. 1984                                 verst. 1942

Enkel:  Marianne, geb. 30.3.1915, verst. 11.09.1942
            Kurt, geb. 16.02.1910, 1933 emigriert nach Großbritannien

Villa Emrich

Die Villa Emrich ist ein denkmalgeschütztes Gebäude in Mühlacker, das seit 1999 als Kindergarten genutzt wird.
Sie wurde 1912 vom Architekten Christian Aichelin aus Mühlacker im Auftrag von Alfred und Laura Emrich entworfen. Alfred und Laura Emrich bewohnten das Gebäude bis  August 1939, seit 1915 zusammen mit ihrer Tochter Marianne.

Besondere Merkmale sind:

  • Erker, Gauben, Krüppelwalmdächer
  • Butzenscheiben, Fachwerk
  • Regionale Baumaterialien wie Holz und Sandstein

Dies entspricht in der Kunstgeschichte dem Stil des Historismus bzw. Traditionalismus: alle Stilelemente sind bekannt, nur neu zusammengestellt.
In Mühlacker gibt es mehrere Gebäude im Stil des Traditionalismus.

Soziales Engagement

Fabrik-Bibliothek J. EmrichAlfred Emrich richtete eine Fachklasse für Bijouterielehrlinge in der damaligen Gewerbeschule, der heutigen Ulrich von Dürrmenz-Schule ein. Er galt als strenger Lehrmeister.
Aufenthaltsräume, eine Betriebskantine und Bademöglichkeiten für alle Mitarbeiter und deren Angehörige konnten genutzt werden. Er sorgte für die Verpflegung seiner Mitarbeiter mit Kakao/Milch und Brötchen und stellte ihnen eine Fachbibliothek mit ca. 2000 Büchern zur Verfügung.
1911 wurde ein Kindergarten eingerichtet, für ältere Kinder wurden Zeltlager in den Ferien organisiert, sowie Weihnachtsfeiern für Kriegswaisen, andere Waisenkinder und kinderreiche Familien, die er mit Geschenken bedachte.
Gleichzeitig entstanden Betriebswohnungen zum Mieten oder Kaufen, z.B. an der Hindenburgstraße.


Firma Emrich, Produkte

Firma Emrich: ProdukteIsidor Emrich hatte 1878 in Pforzheim als Bijouterie- und Kettenfabrikant begonnen. Sein Sohn Alfred setzte diese Tradition in Mühlacker fort und erweiterte die Produktpalette kontinuierlich, da auch Werkzeuge hergestellt wurden.
Die Bijouterie-Produkte wurden in sog. Musterbüchern festgehalten, mit denen die Reisenden auf Einkaufstour gingen. Beispiele aus den 30er Jahren zeigen:

  • Gürtelschnallen, Schlipsnadeln, Kämme, Broschen, Anhänger
  • Manschettenknöpfe, Ohrringe, Anstecknadeln

Eine weitere Produktpalette, die bis heute Bestand hat, ist:

  • Puderdosen, Taschenspiegel, Pillendosen

Der Export erweiterte sich über England und Paris bis nach New York, Moskau und in der Neuzeit Japan.



Uhlandbau

UhlandbauDer Uhlandbau war 1921 als Turn- und Festsaal konzipiert mit Bibliothek, Büroräumen und einem Tagungszimmer.
Die Finanzierung in Höhe von 750.000 RM übernahm Alfred Emrich, sofern der Bau innerhalb von weniger als 100 Tagen fertiggestellt würde.
Der Uhlandbau bot damals Platz für 800 Personen, 45 Musiker im Orchestergraben und damit optimale Voraussetzungen für großes Theater. Die Bühnenausstattung war modern, das Hören von Musik war und ist ein Genuss für die Spieler und Zuhörer.
Laura Emrich ließ ihre Kontakte spielen und es wurden hochrangige Künstlerinnen und Künstler nach Mühlacker engagiert: z.B.  Fritz  Busch und Rudolf Serkin. Es gab zunächst viele Gastspiele aus Stuttgart mit dem Württembergischen Landestheater, und es fanden Opern- und Theateraufführungen statt.
1926/27 fanden nur noch je 2 Konzerte und Vorträge, 4 Theatervorführungen aufgrund der  Weltwirtschaftskrise statt
1929/30 verbuchte Alfred Emrich einen Verlust von 5.500 RM.
Die Nazis erweiterten das Gebäude um einen Anbau mit Balkon für Kundgebungen.
Heute steht der Uhlandbau unter Denkmalschutz und ist immer noch Austragungsort großer Konzerte, gleichzeitig dient er als Schulmensa. Er wurde mehrfach restauriert.


Familie Emrich in der Zeit des Nationalsozialismus

Deportationsliste1936 wurde Alfred Emrich zwei Mal verhaftet.
Seit 1938 bestand für die Familie das Verbot von Kontakten und Freundschaften zu jüdischen Personen, was einer Isolierung gleichkam.
Am 24.11.1938 erfolgte die totale Enteignung und die Abgabe des gesamten Firmenbesitzes an den Parteigenosse Vonessen, sowie das Verbot, Gelände und Gebäude zu betreten. Der Erlös aus den Verkäufen ging an die Judenvermögensabgabe.
Ende August 1939 erfolgt die Flucht von Alfred, Laura und Marianne Emrich über Paris nach LeMans.
21.8.1942: Verhaftung Alfred Emrich: 23.6.1943 Transport über das Sammellager Drancy nach Auschwitz (= Todesdatum)
23.8.1942: Verhaftung Marianne u. Laura Emrich: 11.9.1942 Transport nach Auschwitz (= Todesdatum)



Stolpersteine

Stolpersteine Familie Emrich2009: Verlegung der ersten Stolpersteine in Mühlacker für die Familie Emrich

Eine weitere Gedenktafel befindet sich im Uhlandbau und am alten Eingang der Villa Emrich im Schulerweg.



Firma Emrich im 20. und 21. Jahrhundert

Produkte im 20. und 21. Jahrhundert1946: Aufnahme der Produktion in Enzberg
1947: Kurt Emrich, Vetter von Alfred, wird  neuer Geschäftsführer. Er baut die Firma mit alten und neuen Mitarbeitern wieder auf und erweitert die Geschäftsbeziehungen in alle Welt.
50er Jahre: ca. 100 Mitarbeiter
1962 ca. 65 Mitarbeiter
1978: 100 jähriges Bestehen
Verkauf der Fa. Emrich an die Fa. Bossert & Erhard aus Pforzheim. Die Produktion wird in Taiwan, Hongkong und China fortgesetzt. Derzeit gibt es einen Betrieb  in Ölbronn-Dürrn, der hochwertige Schreibgeräte herstellt. (Stand 2018)


Zeitzeugen berichten:

In einem Bericht im Mühlacker Tagblatt vom 19.03.2022 schildert Andrea Trippner-Lüttgen ihre Kindheitserinnerungen bei der Familie Emrich und auch von dem schönen, begehbaren Puppenhaus, welches auch Alfred Emrich sehr am Herzen lag. Hier können Sie den Bericht lesenMT 19.03.2022

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